Sitzverteilung in GVO und Ausschüssen

Für die Sitzverteilung im Gemeindevorstand gibt es zwei verschiedene Vorgehensweisen, die §55 HGO vorgibt:

  1. Eine Wahl anhand von mehreren Wahlvorschlägen “nach Verhältniswahl” gemäß §22 KWG.
  2. Im Fall eines einheitlichen Wahlvorschlags kann dieser “einstimmig” (d.h. ohne Gegenstimmen, Enthaltungen sind nicht relevant) angenommen werden. Das geht sogar — sofern niemand widerspricht — per Handzeichen oder Akklamation (§55 (3) Satz 2, ansonsten muss die Wahl “schriftlich und geheim” erfolgen. Voraussetzung für einen einheitlichen Vorschlag ist die “Einigung aller Gemeindevertreter” auf diesen Wahlvorschlag, d.h. wenn nur eine Person sich dagegen ausspricht, ist ein einheitlicher Wahlvorschlag nach §55 (“) Satz 1 nicht möglich.

Zu beachten sind dabei:

  • Erste_r Beigeordnete_r wird nach §55 (1) Satz 2 bei mehreren Wahlvorschlägen automatisch der erste Bewerber “des Wahlvorschlags, der die meisten Stimmen erhalten hat”. Eine “Wahl” des_der ehrenamtlichen ersten Beigeordnete_n ist damit nicht im Einklang mit der HGO, sondern ergibt sich effektiv direkt aus den Wahlvorschlägen (“eine der Personen auf Platz 1 eines Wahlvorschlags wird es in jedem Fall”) .
  • Bei einem gemeinsamen Wahlvorschlag aller Gemeindevertreter ist die Person auf Platz 1 automatisch der_die ehrenamtliche_r Erste_r Beigeordnete_r. Auch hier ist keine explizite Wahl oder Benennung möglich, da dies der HGO widersprechen würde.

Haben sich die Fraktionen auf einen “einheitlichen” Vorschlag geeinigt, muss dieser durchaus nicht die Sitzverteilung widerspiegeln. So könnte beispielsweise eine Fraktion zugunsten einer anderen auf eine Position verzichten.

Bei der Verhältniswahl ist davon auszugehen, dass jeder Gemeindevertreter für die Liste “der eigenen Fraktion” stimmt, sofern es diese gibt. Da es sich um eine geheime schriftliche Wahl handelt, ist dies aber natürlich nicht garantiert; abwesende Personen verzerren zudem potenziell das Bild, da nur ihre Stimmen, nicht aber ihre “Sitze”, in die Bestimmung eingehen.

Voraussichtliche Sitzverteilung bei 9 Mitgliedern

Geht man davon aus, dass die Ausschüsse aus 9 Mitgliedern bestehen, ergibt sich bei Anwesenheit aller Personen und Abstimmen jeweils “für die eigene Liste” folgendes Stimmergebnis, da genau den Sitzen entspricht:

  • CDU-Vorschlag: 9 Stimmen
  • Grünen-Vorschlag: 8 Stimmen
  • SPD-Vorschlag: 5 Stimmen
  • FDP-Vorschlag: 4 Stimmen
  • Linke-Vorschlag: 2 Stimmen
  • FUCHS-Vorschlag: 5 Stimmen
  • DM-Vorschlag: 2 Stimmen
  • Beerwischer-Vorschlag: 2 Stimmen

Auch hier wird zunächst der ganzzahlige Anteil an Sitzen vergeben, dann nach Nachkommastelle. Damit entsteht — bei Anwesenheit aller Gemeindevertreter_innen und “planmäßiger” Abstimmung — genau das gleiche Ergebnis wie nach §62 (2) HGO (“Ausschüsse, Bildung gemäß Stärkeverhältnis — nicht “erzielte Prozente bei der Wahl” — der Fraktionen”).

Hier ergibt sich folgende Verteilung:

  • CDU: 9 von 37 Sitzen ergeben anteilig (9 / 37) * 9 = 2,189 Sitze
  • Grüne: 8 von 37 Sitzen ergeben anteilig (8 / 37) * 9 = 1,946 Sitze
  • SPD: 5 von 37 Sitzen ergeben anteilig (5 / 37) * 9 = 1,216 Sitze
  • FDP: 4 von 37 Sitzen ergeben anteilig (4 / 37) * 9 = 0,973 Sitze
  • LINKE: 2 von 37 Sitzen ergeben anteilig (2 / 37) * 9 = 0,486 Sitze
  • FUCHS: 5 von 37 Sitzen ergeben anteilig (5 / 37) * 9 = 1,216 Sitze
  • DM: 2 von 37 Sitzen ergeben anteilig (2 / 37) * 9 = 0,486 Sitze
  • Beerwischer: 2 von 37 Sitzen ergeben anteilig (2 / 37) * 9 = 0,486 Sitze

Gemäß §22 (3) werden zunächst die ganzzahligen Sitze vergeben:

  • CDU: 2 Sitze “ganzzahlig"
  • Grüne: 1 Sitz “ganzzahlig”
  • SPD: 1 Sitz “ganzzahlig"
  • FDP: keine Sitze “ganzzahlig”
  • LINKE: keine Sitze “ganzzahlig”
  • FUCHS: 1 Sitz “ganzzahlig”
  • DM: keine Sitze “ganzzahlig”
  • Beerwischer: keine Sitze “ganzzahlig"

Damit sind insgesamt 5 der 9 Sitze vergeben. Die restlichen vier Sitze werden gemäß §22(3) KWG anhand des “größten Zahlenbruchteils” verteilt. Hiermit geht jeweils ein Sitz an FDP und Grüne (Nachkommaanteil 0,973) bzw. 0,946 - damit sind 7 der 9 Sitze vergeben. Nun ergibt sich das Problem, dass nur noch zwei Sitze zu vergeben sind, es aber drei Fraktionen gibt, die alle exakt die gleiche Stimmenzahl und damit auch den gleichen “größten Nachkommaanteil” besitzen (LINKE, Mühltaler und Beerwischer haben alle zwei Sitze und damit den Nachkommaanteil 0,486. Gemäß §22(3) KWG entscheidet “das Los” über “den letzten zu vergebenden Sitz”; hier müssten also im Prinzip zwei von drei Losen gezogen werden, da es drei gleichrangige Fraktionen gibt. (Würde man auch das Wahlergebnis berücksichtigen, gingen die beiden Sitze an Mühltaler (6,1%) und Beerwischer (5,33%) mit Vorrang vor Die LINKE (4,81%), das ist so aber nicht vorgesehen.

  • CDU: 2 Sitze
  • Grüne: 1 + 1 = 2 Sitze
  • SPD: 1 Sitz
  • FDP: 0 + 1 = 1 Sitz
  • LINKE: 0 Sitze, Teilnahme am Losverfahren
  • FUCHS: 1 Sitz
  • DM: 0 Sitze, Teilnahme am Losverfahren
  • Beerwischer: 0 Sitze, Teilnahme am Losverfahren

Für die Ausschüsse gelten im Wesentlichen die gleichen Regelungen gemäß der Geschäftsordnung der Gemeinde Mühltal (§30), die wiederum auf §62 HGO und damit indirekt auf §55 HGO oder die Verteilung “nach Stärkeverhältnis der Fraktionen” in Verbindung mit §22 (3) und (4) KWG verweist.

Auswirkung bei größeren Ausschüssen

UntersUnterstellt man die normale Bildung nach “Stärkeverhältnis der Fraktionen”, würden folgende Fraktionen von einer möglichen Vergrößerung der Ausschüsse profitieren:

  • n = 9: keine Änderung zur Rechnung oben, es kommt zur Verlosung von zwei Plätzen unter den drei Fraktionen LINKE, Mühltaler und Beerwischer.
  • n = 10: Anstelle des Losverfahrens, bei dem zwei Plätze unter LINKE, Mühltaler und Beerwischer ausgelost werden, hätten alle drei Fraktionen einen Sitz.
  • n = 11: Die CDU (Nachkommaanteil 0,676) erhält einen dritten Sitz; LINKE, Mühltaler und Beerwischer (Nachkommaanteil jeweils 0,595) erhalten jeweils ihren ersten Sitz.
  • n = 12: CDU (3. Sitz), LINKE, Mühltaler, Beerwischer erhalten einen Sitz; der letzte Sitz wird zwischen SPD und FUCHS ausgelost (beide Nachkommaanteil 0,622).  
  • n = 13: Die CDU erhält direkt (ohne Betrachtung der Nachkommastelle) einen 3. Sitz; GRÜNE (3. Sitz), SPD und FUCHS (jeweils 2. Sitz) erhalten jeweils einen Sitz; unter LINK, Mühltaler und Beerwischer würden zwei Sitze ausgelost.

Von einer Vergrößerung der Ausschüsse würde daher in den meisten Fällen primär die CDU profitieren. Bei Veränderung der Größe auf 10 Sitze würden immerhin alle Fraktionen einen Sitz erhalten.

Hinweis: der Fraktionsvorsitzende einer Fraktion hat auch in den Ausschüssen generell Rede-, wenn auch nicht Stimmrecht (das Stimmrecht ist an die “Sitze” gekoppelt).

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