Vergabe ausschließlich von Einzelstimmen

Die vermutlich aufwändigste Vorgehensweise seitens des Wählers ist es, auf ein Listenkreuz zu verzichten und ausschließlich mit Einzelstimmen zu arbeiten. Hierbei können sowohl die Optionen des Kumulierens (Verteilen von mehr als zwei oder drei Stimmen auf die gleiche Person) als auch des Panaschierens (Verteilen von Stimmen an Kandidat_innen von mehr als einer Liste) genutzt werden. Auch das Streichen von Kandidaten ist möglich, hier aber wirkungslos, da in Abwesenheit eines Listenkreuzes ohnehin nur “angekreuzte” Kandidaten eine Stimme erhalten. Daher kann das Streichen hier nur den (Un-)Willen kundtun, bleibt aber ohne weitere Folgen.

Vorgehensweise seitens des Wählers

Es wird kein Listenkreuz gesetzt. Stattdessen werden ausschließlich Einzelkreuze gesetzt, wobei auf eine konkrete Position keine Stimme (kein Kreuz), eine, zwei oder drei Stimmen (je nach Anzahl Kreuzen) vergeben werden können. Zusätzlich können die Kreuze frei über alle Listen verteilt werden.

Konkretes Beispiel

Der Wähler ist mit zahlreichen Kandidat_innen der verschiedenen Listen gut bekannt und möchte diese fördern. Weitere Kandidat_innen wirken kompetent und sollen daher ebenfalls eine Stimme erhalten. Der Wähler will sich aber nicht “auf eine Partei festlegen” und daher nicht die verbleibenden (möglichen) Reststimmen einer Liste “schenken”.

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Beispielsweise gibt der Wähler seinen Bekannten auf Liste A C. Schmidt (Platz 3, 2 Stimmen) und E. Meier (Platz 5, eine Stimme), F. Schulz und H. Koch (Liste B, Platz 1 bzw. 3, jeweils eine Stimme) sowie K. Müller (Liste C, Platz 2) jeweils zwei Stimmen. 

Ergebnis der Wählerstimme

In dem Beispiel hat der Wähler insgesamt fünf Kandidat_innen der Listen A, B und C Stimmen vergeben. Dabei haben zwei Kandidat_innen zwei Stimmen erhalten (=4 vergebene Stimmen), drei weitere Kandidat_innen haben jeweils eine Stimme erhalten (=3 vergebene Stimmen). Insgesamt wurden damit exakt die 7 möglichen Stimmen vergeben.

Besonderheiten

Dieser Wahlmodus bietet die größte Flexibilität, aber auch zwei typische Probleme.

Das erste Problem ist der Aufwand. Zwar hat der Wähler mit diesem Modus die Möglichkeit, ganz explizit zu bestimmen, wer wie viele Stimmen bekommen soll; niemand anderes profitiert also indirekt durch das “Listenkreuz” von einer (guten) Position auf der Liste. Allerdings erfordert diese Art der Stimmenvergabe in der Regel eine gute Vorbereitung, um sicherzustellen, dass auf keinen Fall zu viele Stimmen vergeben werden - und möglichst auch keine Stimmen “verfallen”. Dem Verfallen könnte durch ein Listenkreuz entgegengewirkt werden.

Das zweite Problem ist das Risiko, aus Versehen zu viele Stimmen zu vergeben und damit die Gültigkeit des Wahlzettels zu riskieren zu machen. Sofern nur eine geringe Anzahl Stimmen—und entsprechend meist auch Kandidat_innen—zur Verfügung stehen, ist dieses Risiko noch gut handhabbar und die Anzahl Stimmen gut überschaubar. Je größer das zu wählende Gremium ist - beispielsweise bei der Kreistagswahl Darmstadt-Dieburg mit 71 Stimmen -, desto schwieriger ist es, ohne akribische Vorarbeit sicher nicht zu viele (oder zu wenige) Stimmen zu vergeben. Der Gesetzgeber sieht hier zwar “Reparatur-Regeln” vor. Es ist aber riskant, sich darauf zu verlassen, dass der jeweilige Wahlvorstand im Wahlbezirk damit vertraut ist und den Zettel nicht voreilig als “offensichtlich ungültig” einstuft.

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